Wir hatten uns gerade mit unseren Stühlen auf den harten roten Filz (Backsteinpflaster-Terasse) gesetzt, da kam er mit hochrotem Kopf aufgeregt über die Wiese den Berg heruntergestürzt:

„Was machen Sie hier!???“ herrschte er jenen von uns an, der ihm furchtlos ein paar Schritte entgegengegangen war.

Und mit dem durchdringenden Blick des Diktators ,Ich bin hier das Volk‘ zog er seinen Ausweis und hielt ihn unserem Gesandten geradewegs unter dessen lange Nase: „Ich bin hier der Landtags- abgeordnete!!!“

Und wir hatten kurzfristig das ungute Ge-fühl, wir wären jetzt vom Hauseigentümer in dessen Garten beim Äpfelklauen erwischt worden.

Dann begutachtete der gehetzte Land-tagsabgeordnete mit seinen eigens hierfür mitgeführten Augen den Zustand seiner Dachrinnen und sein auch noch gleich mitgeführter kritischer Gesichtsausdruck wandelte sich in ein rundum zufriedenes Strahlen.

Als er schon wieder in seinen blauen Jeans mit dem flotten Western-Hemd den Berg zum Tor hinaufsportete und sich einer von uns hinterher beeilte, um zu sehen, wo denn sein Pferd stehe und ihn nach seinem Namen fragte, da befahl er nur noch zurück: „Ich sage Ihnen meinen Namen nicht – Sie haben mir Ihren auch nicht genannt!“

Vor der Wahl sagt der Kandidat dem Bürger immer überall seinen Namen und er kann ihn nicht genug wiederholen, damit der Bürger beim Ankreuzen des Zettels keinen Fehler macht.
Hat man je gehört, daß der Kandidat vor der Wahl die Bürger nach deren Namen fragt?
„Ist doch uninteressant – die werden ja gar nicht gewählt!“

Und mit behendem Satz sprang der Cowboy nicht etwa auf seinen Gaul, wie wir es erwartet hatten, sondern gerade-wegs in seinen diskret wartenden silbergrauen Mercedes und schwebte mit Hilfe der Steuergelder seiner Wähler leise säuselnd davon ...

Er hatte es dann aber doch noch ge-schafft, eine kleine politische Inspiration zu hinterlassen, denn die folgende halbe Minute stand bei uns ganz unter dem Motto: „Wer hat hier das Sagen?“

Vielleicht war das hier ja einmal seine Kaderschule gewesen – vielleicht meint er heute gar, er sei hier zum Imperator ausgebildet worden?!

Noch während er mit seinem Silbergrauen den Berg hinuntersauste, erwischten wir ihn im Internet.

Hier präsentierte er sich seinen Untertanen schon wieder viel freundlicher.

12.8.2001

Betrifft: Ihre Anfrage
Bezug: Besuch des
Landtagsabgeordneten
Herrn Karwecki

Sehr geehrte Frau Cardell,

Herr Karwecki, seinem Auf- treten nach der Eigentümer des Objektes, ist hier ganz aufgeregt auf seinem Grund- stück erschienen und hat sich dann aber doch mit eigenen Augen über den hervor- ragenden Zustand der von ihm zuletzt gebauten Dach- rinnen überzeugen können.

Wir teilen Ihnen dies in Diskretion mit, denn Herr Karwecki möchte keinen Tumult über die Medien, wie letztes Mal, als er die Dächer hat machen lassen.

Bei seiner Abfahrt bedankte er sich, innerlich sehr be- wegt, noch einmal ausdrück- lich für unsere Freundschaft.

Wir wünschen Ihnen ein angenehmes Wochenende bei gutem Wetter und bester Stimmung und verbleiben

mit freundlichen Grüßen,
immer Ihr

Alfred Tils
Aar Edition
Planungsteam
Internationaler Jugendhof

p.s.:
Die HNA hat sich auch schon verschiedentlich in der Sache an uns gewandt wegen der Auskunft. Aber wir haben ihr natürlich nichts gesagt. Wir wollten Ihnen bzw. dem Hessischen Rundfunk die neuesten Informationen in Bezug auf den Zustand der Dachrinnen natürlich als erste und exklusiv vermitteln, was wir hiermit getan haben, obwohl Sie erst nach der HNA angefragt haben.

Kopie an die
Hessische Landesregierung