Gegründet 1834 von Georg Büchner
5. Neuausgabe








DER HESSISCHE LANDBOTE
DIE HESSISCHE WAHRHEIT OHNE GRENZEN  •  TRADITIONSBEWUSST
Unter der Schirmherrschaft der Deutschen Kulturstiftung
Aar Edition zahlt
Seite 449
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PETER HÜBNER • PREIS DER FREIHEIT – DAS PROGRAMMIERTE VIERTE REICH
Die antidemokratische politische Praxis in Deutschland
Teil 3   •   VERTRETER DES VOLKES – Die Goldene Partei Deutschlands
Die evangelische Medienaffäre


Der Artikel sei hier der guten Ordnung halber abgedruckt:
Stern – WIRTSCHAFT
Af­fä­re: Wie deut­sche Werft-Ma­na­ger von ei­nem
omi­nö­sen Kul­tur­ver­ein her­ein­ge­legt wur­den


Den Bach run­ter

Über­all an der Küs­te stell­ten Ver­tre­ter der „Deut­schen Kul­tur­stif­tung“ – hier bei ei­ner Tour auf der Elbe – Werft­ma­na­gern lu­kra­ti­ve Auf­trä­ge in Aus­sicht. Doch bis­her wur­de kein Schiff ge­or­dert

Traumschiff für eine heile Welt

Die Kul­tur­stif­tung woll­te bei Blohm + Voss in Ham­burg die „Gorch Fock“ nach­bau­en las­sen, um da­mit vor Chi­na zu kreu­zen und wun­der­sa­me Geis­tes­kräf­te auf die Chi­ne­sen ein­wir­ken zu las­sen

Der Yogi läßt grüßen
Die „Deut­sche Kul­tur­stif­tung“ be­ruft sich auf die Leh­ren des Maharishi, den Guru der Trans­zen­den­ta­len Me­di­ta­ti­on
AFFÄRE
„Ganz schrecklich blamiert“

Gleich rei­hen­wei­se gin­gen deut­sche Top-Ma­na­ger ob­sku­ren Welt­ver­bes­se­rern auf den Leim, weil sie sich Mil­li­o­nen­auf­trä­ge er­hoff­ten

Die Gäs­te ka­men mit dem Hub­schrau­ber und wa­ren auf­fal­lend be­müht, Fi­nanz­kraft zu de­mon­strie­ren. Sie ka­men den von der welt­wei­ten Schiff­bau­kri­se ge­beu­tel­ten Werft­bos­sen ge­ra­de recht. Wink­ten die freund­li­chen, selbst­be­wuß­ten Her­ren von der „Deut­schen Kul­tur­stif­tung“ doch mit Groß­auf­trä­gen von der feins­ten Art: Et­li­che Se­gel­kreuz­fahrt­schif­fe der Lu­xus­klas­se sei­en ge­plant und ein rie­si­ges Pas­sa­gier­schiff für 7500 Per­so­nen im Wert von min­des­tens ein bis zwei Mil­li­ar­den Mark, ver­kün­de­ten sie reih­um den Vor­stän­den meh­re­rer deut­scher Werf­ten.

In­te­res­siert lie­ßen sich die wich­ti­gen Her­ren, al­le­samt im dunk­len An­zug, Club­kra­wat­te und der Schei­tel wie mit dem Li­neal ge­zo­gen, die Werft­an­la­gen zei­gen. Scha­de nur, daß sie pro Werft le­dig­lich 50 Mi­nu­ten Zeit hat­ten und sich da­her – lei­der, lei­der – auf in­ten­si­vere Ge­sprä­che über den Groß­auf­trag nicht ein­las­sen könn­ten.

Doch das schmä­ler­te die Hoff­nung der Werft­chefs nur un­we­sent­lich. Hat­te man doch in­zwi­schen längst dis­kre­te Er­kun­di­gun­gen über die „Deut­sche Kul­tur­stif­tung“ an­ge­stellt, als de­ren obers­te Emis­sär­e die Her­ren auf­tra­ten. Was man da­bei er­fah­ren hat­te, klang äu­ßerst viel­ver­spre­chend: Die Leu­te der Deut­schen Kul­tur­stif­tung sei­en viel­leicht et­was spin­nert, aber Geld hät­ten sie. Die Stif­tung be­ruft sich auf die Leh­ren des Maharishi Mahesh Yogi, der sei­nen Jün­gern die völ­li­ge Ent­span­nung durch die Trans­zen­den­ta­le Me­di­ta­tion ™, ja so­gar die Kraft zum Flie­gen ver­heißt.

Die Werft­ma­na­ger wa­ren zu­min­dest von der Fi­nanz­kraft der ver­meint­li­chen TM-An­hän­ger über­zeugt. Ne­ben den Auf­trags­be­mü­hun­gen von Bre­mer Vul­kan, Blohm + Voss aus Ham­burg, HDW aus Kiel und der Flen­der-Werft aus Lü­beck ran­gel­ten ei­ne Viel­zahl von Zu­lie­fe­rer-Fir­men dar­um, auf die „Ma­kers List“ zu kom­men. Die Krupp-Toch­ter MaK Ma­schi­nen­bau GmbH aus Kiel ist eben­so da­bei wie die Kom­paß-Her­stel­ler An­schütz & Co. aus Kiel, Fr. Fassmer & Co. aus Mot­zen (Ret­tungs­boo­te) und Noske-Kaeser aus Ham­burg (Käl­te­tech­nik). Be­son­ders se­ri­ös wirk­te, daß Schif­fahrts­ex­per­te Nikolaus W. Schües von der tra­di­ti­ons­rei­chen Ham­bur­ger Ree­de­rei F. Laeisz die TM-Leu­te in tech­ni­schen Fra­gen be­riet.

Et­was un­ge­wöhn­lich war al­ler­dings, daß die freund­li­chen Her­ren von der Kul­tur­stif­tung die Werft­bos­se dräng­ten, ei­ne sechs­bän­di­ge Rei­he bil­lig auf­ge­mach­ter Ta­schen­bü­cher zu ordern – für die Klei­nig­keit von 720 Mark. Ein Fir­men­ver­tre­ter: „Uns wur­de drin­gend na­he­ge­legt, die­se Bü­cher an­zu­schaf­fen, um uns mit dem Ge­dan­ken­gut der Kul­tur­stif­tung aus­ein­an­der­zu­set­zen. Die Her­ren lie­ßen durch­bli­cken, daß sie die Bü­cher bei künf­ti­gen Be­su­chen gern deut­lich sicht­bar in un­se­rem Bü­ro ste­hen se­hen wür­den.“

Na­tür­lich ver­bot es der Ge­schäfts­sinn, die deut­schen Kul­tur­stif­ter zu ver­prel­len. Und so wur­den folg­sam Bü­cher be­stellt: Ti­tel wie „Ar­beit – Gott der Deut­schen. Der ur­al­te Ster­nen­weg un­se­rer Ah­nen zu kos­mi­scher Frei­heit“. Die Ma­na­ger hät­ten die Trak­ta­te viel­leicht le­sen sol­len, dann hät­ten sie sich über das nächs­te An­sin­nen der selt­sa­men Kun­den nicht mehr so ge­wun­dert. Denn die lu­den bald dar­auf zu ei­nem „In­ter­na­tio­na­len Wirt­schafts­tag“ nach Lon­don ein. Kos­ten­punkt der zwei­tä­gi­gen Ver­an­stal­tung: stol­ze 4800 US-Dol­lar, um­ge­rech­net knapp 10.000 Mark, na­tür­lich im vor­aus zahlbar und An- und Ab­rei­se ex­tra. Ein hüb­sches Sümm­chen, vor al­lem für vie­le der mit­tel­stän­di­schen Zu­lie­fe­rer­fir­men. Eini­ge Un­ter­neh­men spran­gen ab. Doch die meis­ten hoff­ten noch im­mer auf das gro­ße Ge­schäft und zahl­ten.

Ei­ner der spä­te­ren Se­mi­nar-Teil­neh­mer zum STERN: „Es fand ei­ne ge­wis­se Er­pres­sung statt. Als un­se­re Fir­ma die Teil­nah­me an die­sem Wirt­schafts­tag ab­sa­gen woll­te, wur­de uns er­klärt, daß wir dann von der wei­te­ren Pro­jekt­ar­beit aus­ge­schlos­sen sei­en und als Ge­sprächs­part­ner nicht mehr in Fra­ge kä­men.“

Und so ka­men am 15. und 16. Sep­tem­ber des ver­gan­ge­nen Jah­res im vor­neh­men Lon­do­ner Mount­bat­ten Ho­tel so man­che zu­sam­men, die in der Schiff­bau­bran­che Rang und Na­men ha­ben. Auf aus­drück­li­chen Wunsch der Kul­tur­stif­tung hat­ten die Fir­men sich be­müht, nur Vor­stän­de, Ge­schäfts­füh­rer oder ähn­lich kom­pe­ten­te Ma­na­ger zu ent­sen­den. So er­schie­nen der Ham­bur­ger Ar­beit­ge­ber-Prä­si­dent Alexan­der Schön als Ver­tre­ter der Fir­ma ROM (Rud. Otto Meyer, Kli­ma­tech­nik) eben­so wie Dr. Michael Budczies, zu die­ser Zeit noch Vor­stands­spre­cher der Ham­bur­ger Groß­werft Blohm + Voss und gleich­zei­tig Vor­sit­zen­der des Ver­ban­des der Deut­schen Schiff­bau­in­du­strie. Drei­ßig hoch­ka­rä­ti­ge Gäs­te ver­zeich­net die Teil­neh­mer­lis­te. Auch der jüngst bei der staats­ei­ge­nen Werft HDW ge­schaß­te Vor­stands­chef Klaus Ahlers woll­te sein Un­ter­neh­men ver­tre­ten se­hen und be­or­der­te zwei Ma­na­ger nach Lon­don.

Al­le Her­ren er­schie­nen wie vor­ge­schrie­ben im dunk­len An­zug und ver­knif­fen sich wa­cker wäh­rend der Sit­zun­gen das Rau­chen. Man hoff­te, daß es bei dem zwei­tä­gi­gen Tref­fen nun end­lich zur Sa­che ge­hen wer­de. Denn ne­ben sal­bungs­vol­len Sprü­chen stell­te das ge­druck­te Pro­gramm im­mer­hin auch ei­ne „kon­zen­trier­te Ar­beits­at­mos­phä­re“ und die Ge­le­gen­heit in Aus­sicht, die lei­ten­den Per­so­nen, die von der Deut­schen Kul­tur­stif­tung mit der prak­ti­schen Durch­füh­rung der ge­plan­ten Pro­jek­te be­faßt sei­en, ge­nau­er ken­nen­zu­ler­nen. Es soll­te in Lon­don dar­um ge­hen, Pro­jek­te in An­griff zu neh­men, „wel­che auf­grund ih­rer Grö­ßen­ord­nung... durch ein­zel­ne nicht zu be­wäl­ti­gen sind“.

Und so sa­ßen die Her­ren aus Deutsch­land ge­dul­dig den „In­ter­na­tio­na­len Wirt­schafts­tag“ ab. Drei Vor­trä­ge muß­ten sie über­ste­hen. Re­fe­rent ist der 46jäh­ri­ge Peter Hübner, obers­ter deut­scher „Kul­tur­stif­ter“.

„Wir wur­den über­schüt­tet mit ei­nem Ge­misch aus fern­öst­li­chen Weis­hei­ten, rechts­las­ti­gem Ge­dan­ken­gut und Pa­ra­psy­cho­lo­gie“, be­rich­te­te her­nach ein ver­wirr­ter Fir­men­ver­tre­ter dem STERN.

Für ih­re 4800 Dol­lar er­fuh­ren die stau­nen­den Teil­neh­mer des „In­ter­na­tio­na­len Wirt­schafts­ta­ges“ für­wahr Wun­der­li­ches. Von den Wi­kin­gern als Vor­bild war da die Re­de (wo­bei die sich ja zu­ge­ge­be­ner­ma­ßen auf den Schiff­bau ver­stan­den), von der Pfle­ge des Hei­den­tums, von den tie­fen Wur­zeln der Be­we­gung im deut­schen Raum und auch von den Wun­dern der Trans­zen­den­ta­len Me­di­ta­ti­on.

Als dann ir­gend­wann ei­nem Ma­na­ger das Wort Sek­te ent­schlüpf­te, wur­de der freund­li­che Herr Hübner emp­find­lich.

Auch boh­ren­de Fra­gen, wann und wie die ge­plan­ten Groß­auf­trä­ge denn nun an­ge­packt wer­den soll­ten, hör­te er gar nicht gern. Und so war­te­ten die Her­ren Fir­men­ver­tre­ter dann ge­dul­dig wei­ter und nah­men so­gar eif­rig an der ab­stru­sen Dis­kus­si­on teil. Da ging es zum Bei­spiel um die Fra­ge, wie denn die gro­ße „Frie­dens­flot­te“, die die Kul­tur­stif­tung in Auf­trag ge­ben woll­te, am bes­ten auf den Welt­mee­ren ein­ge­setzt wer­den kön­ne. Es soll­te nicht nur bei den an­fäng­lich in Aus­sicht ge­stell­ten zwölf Schif­fen blei­ben, son­dern nun wa­ren es schon über drei­ßig, je­des ein­zel­ne min­des­tens im Auf­trags­wert von sech­zig Mil­li­o­nen Mark.

Mit ei­ner sol­chen Flot­te kön­ne man sich dann bei­spiels­wei­se vor die chi­ne­si­sche Küs­te le­gen, po­si­ti­ves geis­ti­ges Gut aus­strah­len und so auf die Po­li­ti­ker Ein­fluß neh­men. Das sei äu­ßerst er­folg­ver­spre­chend, denn daß Rot­china sich schon seit län­ge­rer Zeit dem Wes­ten ge­gen­über so po­si­tiv ge­öff­net ha­be, sei auf geis­tig-ky­ber­ne­ti­sche Kräf­te der TM-An­hän­ger zu­rück­zu­füh­ren! Die hät­ten mit ih­rer ge­ball­ten Aus­strah­lung bei den chi­ne­si­schen Füh­rern ei­nen Um­den­kungs­pro­zeß be­wirkt.

Mit den ge­plan­ten Groß­seg­lern hof­fe man nun, die Ope­ra­ti­ons­fä­hig­keit er­wei­tern zu kön­nen. Wenn man mit Chi­na fer­tig sei, wol­le man da­ran­ge­hen, mit der Kraft der Ge­dan­ken in In­dien das Kas­ten­we­sen ab­zu­schaf­fen.

Spät­abends an der Ho­tel­bar ka­men den deut­schen Ma­na­gern dann doch Zwei­fel. „Müs­sen wir uns die­sen Quatsch ei­gent­lich an­hö­ren? Wahr­schein­lich ste­hen wir ei­nes Ta­ges ganz schreck­lich bla­miert da“, sag­te ei­ner.

Frust über­kam die Fir­men­ver­tre­ter aber vor al­lem, weil es wie­der ein­mal kaum Ge­le­gen­heit gab, über die Ein­zel­hei­ten der Groß­auf­trä­ge zu spre­chen. Ob in der Kaf­fee­pau­se, beim abend­li­chen Buf­fet oder an der Bar: Die Gast­ge­ber mach­ten sich rar und zo­gen sich we­gen „drin­gen­der in­ter­ner Ge­sprä­che“ im­mer schnell zu­rück. Ein Teil­neh­mer: „Nicht ein­mal Vi­si­ten­kar­ten wa­ren von den Her­ren zu be­kom­men.“

Doch es stan­den noch „Ein­zel­ge­sprä­che über die kon­kre­te wirt­schaft­li­che Ko­ope­ra­ti­on“ auf dem Pro­gramm. Auch das war nichts: Pro Un­ter­neh­men ge­währ­ten die Stif­tungs-Leu­te ei­ne Pri­vat­au­dienz von zehn bis fünf­zehn Mi­nu­ten. Aus Zeit­grün­den kön­ne man – wie­der ein­mal – nicht ins De­tail ge­hen.

Und so lau­te­te denn das Fa­zit am En­de: Au­ßer Spe­sen nichts ge­we­sen. Für viel Geld gab‘s drei Vor­trä­ge, reich­lich Pau­sen und ex­zel­len­te Ver­pfle­gung. Den Groß­auf­trä­gen aber war man kei­nen Schritt nä­her­ge­kom­men.

Die Ma­sche der Jün­ger der Geis­tes­kraft hat Me­tho­de, und zwar ei­ne, die im­mer fei­ner aus­ge­ar­bei­tet wird und die Kas­se der Kul­tur­stif­tung dau­er­haft zum Klin­gen bringt. Sind sie doch ge­ra­de da­bei, et­li­che Wirt­schafts­zwei­ge in der Bun­des­re­pu­blik auf die­se Wei­se ab­zu­klap­pern. Von der Bau­bran­che über die Elek­tro­tech­nik bis hin zur Tex­til-, Tep­pich- oder Le­bens­mit­tel­in­du­strie rei­chen die Kon­tak­te in­zwi­schen. Mit an­geb­lich rie­si­gen Bau­vor­ha­ben oder an­de­ren Pro­jek­ten wer­den gro­ße und klei­ne Fir­men da­zu ge­bracht, Bü­cher zu kau­fen, an Se­mi­na­ren teil­zu­neh­men und der Kul­tur­stif­tung Gra­tis­pro­ben ih­rer Pro­duk­te zur Ver­fü­gung zu stel­len.

Sek­ten­for­scher Ingo Hei­nemann von der Ak­tion für geis­ti­ge und psy­chi­sche Frei­heit in Bonn und in­ti­mer Ken­ner der deut­schen Sze­ne: „Bei de­nen ge­ben sich die Fir­men­ver­tre­ter nur so die Klin­ke in die Hand. Ein Dut­zend pro Tag sind kei­ne Sel­ten­heit.“ Mal geht es um Er­rich­tung und Aus­stat­tung von rund tau­send Kul­tur­zen­tren im In- und Aus­land, mal um den Bau von Uni­ver­si­tä­ten, Fest­hal­len, Opern und Schau­spiel­häu­sern, Ki­nos, Ho­tels, Res­tau­rantketten, Le­bens­mit­tel­lä­den und am En­de gar um den Bau gan­zer Städ­te. Ingo Hei­nemann: „Die Deut­sche Kul­tur­stif­tung ist ju­ris­tisch über­haupt nicht exis­tent. Es han­delt sich um ei­ne Tarn­or­ga­ni­sa­tion des Maharishi-Kul­tes.“







Mit freundlicher Genehmigung des HESSISCHEN LANBOTEN
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