Gegründet 1834 von Georg Büchner
5. Neuausgabe








DER HESSISCHE LANDBOTE
DIE HESSISCHE WAHRHEIT OHNE GRENZEN  •  TRADITIONSBEWUSST
Unter der Schirmherrschaft der Deutschen Kulturstiftung
Aar Edition zahlt
Seite 430
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PETER HÜBNER • PREIS DER FREIHEIT – DAS PROGRAMMIERTE VIERTE REICH
Die antidemokratische politische Praxis in Deutschland
Teil 3   •   VERTRETER DES VOLKES – Die Goldene Partei Deutschlands
Ein „deutsches“ Nach-Richten-Magazin erblickt sein eigenes Spiegel-Bild


Ein wei­te­res Bei­spiel soll die­sen Sach­ver­halt ver­deut­li­chen:

Je­der von uns kennt die Er­fah­rung, daß ihm die Mit­tei­lung ei­nes Er­eig­nis­ses „auf den Ma­gen schlägt“. Wir ken­nen al­so das Phä­no­men ei­nes tat­säch­li­chen phy­si­schen Un­wohl­seins al­lei­ne durch ei­nen „geis­ti­gen Ein­druck“. Dies be­kun­det uns, daß un­ser Den­ken in un­se­rem gan­zen Ner­ven­sys­tem schwer­wie­gen­de Re­ak­tio­nen aus­zu­lö­sen ver­mag.

Des­halb be­in­hal­ten die tra­di­tio­nel­len sitt­li­chen Aus­bil­dungs­pro­gram­me un­se­rer Vor­fah­ren ei­ne sys­te­ma­ti­sche und ge­ziel­te Bil­dung der Er­kennt­nis- und Schaf­fens­fä­hig­keit – im ob­jek­ti­ven Sin­ne –, wel­che bis in den phy­si­schen Be­reich un­se­rer Exis­tenz hin­ein­reicht.

Wenn al­so – um auf das vo­ri­ge Bei­spiel zu­rück­zu­kom­men – ein sitt­lich ge­bil­de­ter Mensch un­ter un­se­ren Vor­fah­ren auch nur den Ge­dan­ken heg­te, ei­nen an­de­ren zu schla­gen, dann mach­te er – auf­grund sei­ner sitt­li­chen Bil­dung – beim Durch­den­ken die­ses Ge­dan­kens auch schon bei sich selbst die phy­si­sche Er­fah­rung des Schla­gens und des Ge­schla­gen­wer­dens.

Nur in die­sem „au­to­ma­ti­schen“ Er­le­ben des ge­sam­ten Aus­ma­ßes ei­ge­nen Han­delns – auch schon al­lei­ne bei der Vor­stel­lung bei­spiels­wei­se des „Schla­gens“ – sa­hen un­se­re Vor­fah­ren ei­ne re­a­le Mög­lich­keit, je­nes so­zia­le Fehl­ver­hal­ten zu ver­hin­dern – ja über­haupt den Ge­dan­ken an das Ver­let­zen zu brem­sen.

Der ei­ne oder an­de­re mag nun den­ken: „Ich kann mir wohl vor­stel­len, daß ich bei ge­ziel­ter Aus­bil­dung je­ne mit mei­ner ei­ge­nen Hand­lung ver­bun­de­ne per­sön­li­che Er­fah­rung ma­chen kann – bei­spiels­wei­se die Er­fah­rung, daß ich selbst schla­ge. Aber wie soll ich des­halb auch gleich­zei­tig die Er­fah­rung ma­chen, daß ich ge­schla­gen wer­de? Und da­zu auch noch au­to­ma­tisch?

Der Traum zeigt uns sehr deut­lich, wie bei­de Er­fah­run­gen gleich­zei­tig mög­lich sind: im Traum liegt der ein­zel­ne im Bett, hat die Au­gen ge­schlos­sen und schläft bzw. träumt. Und was träumt er? Er träumt sich selbst, aber gleich­zei­tig auch noch vie­le an­de­re.

Die­se Tat­sa­che be­kun­det, daß un­ser Vor­stel­lungs­ver­mö­gen und un­se­re Er­fah­rungs­fä­hig­keit nicht nur auf uns – als ei­ne ein­zel­ne Per­son – be­schränkt sind.

Und wie der Träu­men­de – oder wie der ge­ni­a­le Dich­ter –, so kann sich je­der sitt­lich Ge­bil­de­te gleich­zei­tig in die Rol­len und Er­fah­run­gen meh­re­rer Per­so­nen hin­ein­ver­set­zen – so­wohl hin­ter­ein­an­der als auch gleich­zei­tig.

Ge­nau­so wie wir je­ne Sze­ne, daß ei­ner schlägt und da­bei ein an­de­rer ge­schla­gen wird, auf ein­mal träu­men kön­nen – mit bei­den Per­so­nen und mit­samt ih­rer bei­der Er­fah­run­gen –, so kön­nen wir uns dies auch ent­spre­chend dem ge­ni­a­len Dich­ter durch ge­ziel­tes Üben schon im Wach­be­wußt­sein voll­stän­dig ver­ge­gen­wär­ti­gen ler­nen: mit­samt al­ler dar­in im ein­zel­nen be­tei­lig­ter Per­so­nen und ih­rer ganz ver­schie­de­nen Er­fah­run­gen.

Die­se „so­zia­le“ Er­fah­rungs­fä­hig­keit war al­so die Grund­la­ge al­ler sitt­li­chen Aus­bil­dung un­se­rer Vor­fah­ren.
Erst auf die­sem Fun­da­ment ei­ner au­to­ma­tisch auf­tre­ten­den – mit je­dem Ge­dan­ken auch gleich­zei­tig ent­ste­hen­den – voll­stän­di­gen Er­fah­rung ei­ner Be­ge­ben­heit so­wie al­ler in ihr be­tei­lig­ten Le­be­we­sen gab un­se­ren Vor­fah­ren die sitt­li­che Aus­bil­dung ei­nen Sinn.

Erst auf sol­cher re­a­len na­tür­li­chen so­zia­len Er­fah­rungs­fä­hig­keit setz­te ih­re Aus­bil­dung in den über­na­tür­li­chen sitt­li­chen Fä­hig­kei­ten ein – wel­che dann die Na­tür­li­che Men­schen­wür­de ei­nes er­folg­rei­chen Le­bens in Frei­heit im Au­ge hat­te.

Wenn bei­spiels­wei­se ein Steh­len­der al­lei­ne bei dem Ge­dan­ken an sein Steh­len gleich­zei­tig ganz per­sön­lich die Er­fah­rung des ei­ge­nen Be­stoh­len­wer­dens macht, dann wird er sich das Steh­len auch schon in sei­nem Den­ken sehr schnell ab­ge­wöh­nen wol­len.
Denn wer macht schon ger­ne die Er­fah­rung, be­stoh­len zu wer­den?

Wenn ein Mör­der schon al­lei­ne bei sei­nem Ge­dan­ken an den Mord per­sön­lich die Er­fah­rung macht, selbst er­mor­det zu wer­den, dann wird er sich sei­ne wei­te­ren Mord­ge­dan­ken sehr schnell ab­ge­wöh­nen wol­len.
Denn wer wird schon ger­ne er­mor­det?

Es ist al­so ganz und gar nicht so, daß un­se­re Vor­fah­ren in re­li­gi­ö­ser oder phi­lo­so­phi­scher Wei­se ir­gend­wel­che Ge­bo­te oder Ver­bo­te be­nutz­ten, um ih­ren Kin­dern die Grund­be­grif­fe sitt­li­chen Han­delns nä­her­zu­brin­gen – wie wir dies bei der „Re­li­gi­on“ der rö­mi­schen Plün­de­rer und ih­rer Kir­che so­wie in de­ren von Ge­bo­ten und Ver­bo­ten nur so wim­meln­den „hei­li­gen Schrif­ten“ er­le­ben – und in de­ren Ge­fol­ge na­tür­lich bei den Ge­set­zen der ver­schie­de­nen von je­ner blin­den Re­li­gi­o­si­tät be­herrsch­ten Staa­ten.

Un­se­re Vor­fah­ren prak­ti­zier­ten buch­stäb­lich den Grund­satz: „Was du nicht willst – daß man dir‘s tu, das füg auch kei­nem an­de­ren zu“, in­dem sie mit­tels ge­ziel­ter Aus­bil­dungs­pro­gram­me die so­zia­le Er­fah­rungs­fä­hig­keit des ein­zel­nen sys­te­ma­tisch ent­wi­ckel­ten.
Auf die­se Wei­se ver­an­ker­ten sie im geis­ti­gen Vor­stel­lungs­raum des ein­zel­nen schon bei des­sen ers­tem Ge­dan­ken­im­puls an ei­ne Hand­lung die in­te­grier­te Er­fah­rung des Tä­ters und sei­nes Op­fers.

Erst auf der Ba­sis die­ser fun­dier­ten Aus­bil­dung in der prak­ti­schen so­zia­len Er­leb­nis­fä­hig­keit üb­ten sie die über­na­tür­li­chen sitt­li­chen Fä­hig­kei­ten – kei­nes­falls vor­her.

Aus die­sem Grun­de wur­den und wer­den die über­na­tür­li­chen sitt­li­chen Fä­hig­kei­ten schon im­mer nur bei voll­stän­di­ger In­te­gra­tion bei­der Ge­hirn­hälf­ten im Zu­stand der Ein­heit und aus dem Fel­de der Ein­heit her­aus prak­ti­ziert.
Denn in­ner­halb un­se­res Den­kens ist es ja erst das Feld der Ein­heit: das Feld rei­nen Be­wußt­seins: das Feld voll­stän­di­ger Selbst­be­wußt­heit: je­ner na­tür­li­che sitt­li­che Er­fah­rungs­be­reich, wel­cher uns die be­schrie­be­ne so­zia­le Er­fah­rung er­mög­licht.







Mit freundlicher Genehmigung des HESSISCHEN LANBOTEN
© 1998-