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  Die klassische Spiegel-Affäre  
       
  CLASSIC-LIFE: Das Problem dabei ist aber auch – wie Sie vorhin sagten –, daß der Klassische Komponist sehr viel weniger aufschreibt, als er hört?!
Reicht denn das wenige, das er von dem Gehörten aufschreibt, auch wirklich aus, um dem Hörer die Gefilde des Himmels „schmackhaft“
zu machen oder ihn gar in diese hohe Welt des Schöpfers zu entführen?

PETER HÜBNER: Es ist so ähnlich wie mit dem Blumenpflücken: wenn ich an eine Wiese komme voller blühender Blumen und davon jeman­dem später woanders einen gewissen Eindruck von dieser ganzen großen zauberhaften Pracht vermitteln möchte, dann pflücke ich einen Strauß, der möglichst den Eindruck der blühenden Wiese zu vermitteln vermag. Ich kann ja nicht die ganze Wiese – so, wie sie ist – mitnehmen.

Entsprechend kann der Komponist den Musiker ja nicht in seinen Geist hineinzitieren, damit dieser sich dort einen eigenen relativ vollständigen Eindruck des Musikwerkes verschaffen kann – also muß er ihm sein eigenes innergeistiges Hörerlebnis über jene beschränkte Notenschrift zu übermitteln versuchen, welche der Musiker mehr oder weniger gut zu gebrauchen gelernt hat.
   
     
  CLASSIC-LIFE: Und hier wird spätestens deutlich, daß es sich bei der geschriebenen Partitur nur um eine sehr armselige Krücke handelt,

PETER HÜBNER: die aber ausreicht, ihn und seine Hörer in die Gefilde  des  Himmels zu entführen – aus welchen die Musik stammt.
  „Durch den Tempel der Musik
gehen wir zur Gottheit ein.
Hier erleben wir
unser wahres Auferstehen.“
                    Goethe
 
       
     
  CLASSIC-LIFE: Wenn der Musiker hierzu begabt ist,

PETER HÜBNER: wenn ihm selber die Gefilde des Himmels bzw. der Musik vertaut sind – wenn er sich selbst gewohnheitsgemäß dort aufhält: wenn ihm die Musik schon von diesem seinem wahren „Zuhause“ – seinem eigentlichen „Hauptwohnsitz“ – bekannt und geläufig ist.

CLASSIC-LIFE: Wenn sie ihm also nicht fremd sondern vollstän­dig vertraut ist und wenn er sie somit selbst bei der Aufführung aus den Gefilden des Himmels – von zuhause – mitbringt und mit seinem Musi­zieren diese hohe Welt voll Seligkeit präsentiert.

PETER HÜBNER: Selbst, wenn es sich – nach Sicht der Tages­presse – um ein vermeintlich vollständig neues, angeblich noch völlig unbekanntes Werk handelt.

CLASSIC-LIFE: Nach diesem Verständnis unserer großen Klassischen Tonschöpfer bringen im Bereich der Musik doch wohl nur all jene vollständig „Neues“ und „Unbekanntes“, „Noch-Nie-Gehörtes“ hervor, die das an einer staatlichen Musikhochschule erlernt haben. Und das wird dann bekanntlich auch nicht alt.

PETER HÜBNER: Wie das Tagesgeschwätz der Tagespresse.
   
     
     
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Veröffentlichung mit freundlicher Genhemigung von AAR EDITION INTERNATIONAL
© 2001-  DER HESSISCHE LANDBOTE