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  Die klassische Spiegel-Affäre  
       
  CLASSIC-LIFE: Ich glaube, es ist deutlich geworden, daß es stimmt, was Sie sagen: der Klassische Tonschöpfer ist nicht der Schöpfer seines Werkes, sondern nur der „Schreiber“ – derjenige, dem es in seinem Geiste offenbart wird und der es niederschreibt.

PETER HÜBNER: Das Musikwerk wird aus seiner Seele in seinen Geist hinein projiziert, wie in ein Gefäß, wo er es mit seinem Gehörsinn wahrnimmt – also: hört – und dann aufschreibt.

CLASSIC-LIFE: Gut, die Tatsache des nur Schöpfens und nicht selber Schaffens – wie ihn jeder durchschnittliche Komponist für sich in Anspruch nimmt –, müssen wir Ihnen abnehmen.
Und das wird uns auch bei einigem guten Willen – wenn hier auch das persönliche Verständnis und die eigene Erfahrung fehlt – auch noch dadurch erleichtert, daß wir hier ja auch noch, wie wir gesehen haben, über die Dokumente der großen Klassischen Komponisten der Geschich­te verfügen.
Aber das Aufschreiben des Musikwerkes erfordert doch eine genaue Kenntnis der Notation. Und da hapert es ja schon bei den meisten Kompositionsstudenten und nicht selten auch bei deren Professoren.
Woher hat der Klassische Komponist hier seine Kenntnisse? Woher weiß der Klassische Tonschöpfer, wie er notieren soll – der er das ja offen­sichtlich nicht von der Pike auf als ein praktisches Handwerk gelernt hat?
Wie bringt er das innen Gehörte zu Papier? Und: wie ist es, wenn er sich hier und da verhört oder sich verschreibt?

PETER HÜBNER: Ich habe noch nie gehört, daß hier ein klassischer Komponist irgendwelche Probleme oder Schwierigkeiten hatte – wie sie der normale Studierende und sein Professor selbst haben und dann auch bei allen anderen erwarten.
Bei mir ist es so, daß ich in meinem Geiste ganz einfach so eine Art „Schalter“ betätige – daß ich einfach entscheide: „Notenbild“ –, und dann erscheint das Notenbild.

CLASSIC-LIFE: Das vollständige Notenbild des gesamten Werkes – mit allen einzelnen Stimmen?

PETER HÜBNER: Ja, das vollständige Notenbild dessen, was ich gerade höre – nicht das, was ich in zehn Minuten hören werde oder
was ich vor zehn Minuten gehört habe.

CLASSIC-LIFE: Sie haben in ihrem Buch „Musikschaffen“ geschrieben, daß der Komponist mehr hört, als er niederschreibt – daß er Probleme hat, alles, was er hört, aufzuschreiben.
   
     
 
„Wißt ihr nicht,
welches Geistes Kind ihr seid?“
                                  Luk. 9,55.
   
      
     
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
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